Eifel-Einhaus als Holzbau
Geht das: In einer Jahrhunderte alten Tradition des Bauens stehen und dennoch modern und innovativ sein? Dass die Aufhebung dieses Widerspruchs gelingen kann, zeigt dieser preisgekrönte Neubau eines Wohnhauses in der Vulkan-Eifel.
Schon immer war das quergeteilte einraumtiefe "Eifeler Einhaus" typisch für diese Gegend, eine Bauform, in der sich die Wohnräume, Stallungen und Scheune alle unter einem Dach befanden. Heute aber wollte der Bauherr weder Scheune noch Ställe unter seinem Dach unterbringen, sondern Wohnbereiche, die eine flexible Nutzung erlauben und so an die sich im Laufe des Lebens der Bewohner ändernden Bedürfnissen angepasst werden können.
Allerdings setzte er sich noch weitere, durchaus anspruchsvolle Ziele: So sollten ausschließlich natürliche Baumaterialien verwendet werden, die soweit möglich aus der näheren Umgebung stammen. Dabei sollten auch alte Materialien aus einem vorhergehenden Rückbau einbezogen werden und alle von ihm verbauten Stoffe sollten auch selbst wiederverwendbar sein, falls auch sein Haus irgendwann einmal abgerissen werden müsse.
Und schließlich wollte der Hausherr und Architekt als weitere "regionale Ressource" beim Bau auch das Handwerk vor Ort einbeziehen, um so große Teile der Wertschöpfung bei den Menschen vor Ort zu halten.
Mit dem "Einhaus in der Eifel" hat Architekt und Bauherr Peter Thomé diese Ziele wirklich eindrucksvoll erreicht: Das äußere Erscheinungsbild des "modernen Einhauses" gleicht dem traditionellen Vorbild und fügt sich klar in die Siedlungsstruktur seiner ländlichen Umgebung ein.
Sechs hohe, über alle Etagen vom Boden bis unters Dach reichende Fenster weichen auf der Rückseite des Hauses zwar vom Urtyp ab, sorgen aber für mehr Tageslicht und Helligkeit im Inneren als die schmalen "klassischen" in der Frontseite. Sie tragen den heutigen Bedürfnissen Rechnung, ohne den Gesamteindruck zu stören.
Von innen allerdings zeigt das Gebäude sein wahres Gesicht, denn es ist gar kein gemauertes Haus. Vielmehr handelt es sich um einen Holzbau in Brettstapelbauweise.
Dabei stammt das verwendete Holz aus einem zur Gemeinde gehörenden Forst. Es wurde im Ort gesägt und in einem Nachbarort zu Bauelementen gefertigt und zusammengefügt. Das flächig hergestellte Dachtrag-Element erlaubt den Verzicht auf Kehl- oder Stützenbalken, so dass das Obergeschoss durchgehend voll nutzbar ist — wichtig für die angestrebte maximale Flexibilität bei den Nutzungsarten.
Auch die Fensterrahmen und Türen sind aus Holz, hier wurde dauerhafte Douglasie verwendet. Das Glas und die Bänder stammen aus Produktionen im Hunsrück.
Die von außen sichtbare massiv-steinerne Optik in Anlehnung an das Erscheinungsbild des historischen Vorbilds ist tatsächlich also nur eine Verblendung der Holzkonstruktion durch Mauerwerk. Hierbei kamen die Recyclingmaterialien zum Einsatz: teilweise stammten die Steine aus dem Abriss eines alten Gebäudes, und wurden durch Schiefersteine aus einem in der Nähe gelegenen noch offenen Steinbruch ergänzt.
Ein Novum ist die Dachdeckung: Die hier verwendete "dynamische Rechteckdoppeldeckung" mit Platten aus dem Schieferbergwerk Mayen wurde so bislang noch nie verlegt.
Modern ist schließlich die Energieversorgung: Eine Luftwärmekompaktanlage mit kontrollierter Be- und Entlüftung sorgt für eine angenehme Wärme im Haus, die integrierte Warmwasserbereitung erfolgt mittels Solaranlage und eine Regenwassernutzanlage versorgt die Toiletten mit Grauwasser und spart somit wertvolles Trinkwasser ein.
In der Summe ist mit dem "Lutzerather Einhaus" ein Gebäude entstanden, das nicht nur konsequent ist in der durchgehenden Nutzung klimafreundlicher Materialien, regionaler Ressourcen und einer umweltfreundlichen Energieversorgung, sondern das darüber hinaus auch komplett offen ist, was mögliche Raumkonzepte angeht. Denn auch dies ist ein Aspekt der Nachhaltigkeit eines Wohnhauses:
Nur wenn sich ein Haus an die sich stets ändernden Lebensphasen seiner Besitzer anpassen lässt, wird es über Generationen hinweg das optimale Heim für seine jeweiligen Bewohner sein. Dafür wurden die Geschosse so angelegt, dass sie getrennt genutzt werden können und ihre Räume zudem flexible Unterteilungen ermöglichen. So sieht der Architekt bereits heute verschiedene mögliche Raumfolgen für sich verändernde Wohn- und Arbeitsformen vor.
Dieses kompromisslos konsequente Konzept überzeugte bereits die Jurys mehrerer Baupreise. So gewann das Lutzerather Einhaus den Bundeswettbewerb "HolzbauPlus" 2016 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in der Kategorie Einzelhaus/Neubau. Und auch die Jury des Holzbaupreis Eifel vergab für das Projekt einen Preis. Ihr Urteil:
Der Einreicher hat das traditionelle "Eifeler Einhaus" als Grundlage für die Entwicklung eines Konzeptes für ein modernes, sich über leichte Änderungen der Grundrisse wandelbares Wohnhaus herangezogen. Zudem sind für die Errichtung des Gebäudes Baustoffe und Recyclingmaterialien aus der unmittelbaren Gegend konsequent verwendet worden.
Das außen als Backstein erscheinende Haus mit einem Schieferdach beinhaltet eine vollständige Holzkonstruktion in Brettstapelbauweise als Primärkonstruktion, mit Holz aus naheliegenden Forsten. Wand- und Dachkonstruktion bilden eine konstruktive nach innen sichtbare Einheit, das flächig hergestellte Dachtragelement funktioniert zusammen mit den Zugbändern wie ein Sparrendach und lässt dadurch zu, dass der Raum des Obergeschosses voll und ohne Unterbrechung bzw. Kehlbalken oder Stützenbalken nutzbar ist.
Das Mauerwerk ist lediglich Verblendschale. Die dabei erzielte nüchterne und doch sehr konsequente Gestaltung des Gebäudes über traditionellem Grundriss hat die Jury beeindruckt.